Dienstag, 31. Juli 2007

Neoklassische Annahmen

Das Saysche Theorem eine neoklassische Annahme

Die heutige volkswirtschaftliche Lehre und Forschung fußt auf der Theorie der Neoklassik. Eine ihrer Glaubensätze besagt:

Das Angebot von Gütern schafft seine Nachfrage nach Gütern.

Diese Aussage wurde als Saysche Theorem im Jahre 1803 von Jean-Baptiste Say formuliert. Sie wird von der heutigen neoliberalen, angebotsorientierten Wirtschaftspolitik vertreten, deren Credo lautet: Alles ist zu fördern, das die Güterproduktion erleichtert. Das sind Steuererniedrigung für Unternehmer, Rückfahren von Lohnforderungen, denn sie sind Produktionskosten (über Kapitalkosten wird nicht gesprochen) und die Förderung von Geldakkumulation, weil das die Investitionen fördert.

Wie soll es durch die Stärkung der Angebotsseite zur Nachfrageerhöhung kommen? Gemeint ist Folgendes:

In einer Fabrik werden Fahrräder hergestellt. Deren Arbeiter erhalten dafür Lohn. Mit dem verdienten Geld kaufen sie Produkte anderer Hersteller. Die Fabrikbesitzer und die anderen Hersteller erwirtschaften Gewinn. Ein Teil des gewonnenen Geldes fließt in Investitionen oder zu Zulieferer, die damit mehr Geld in ihren Taschen haben. So steigt die allgemeine Kaufkraft und es gibt genügend Leute, die sich heue Fahrräder kaufen können.

Dahinter steht die richtige Vorstellung, dass in einer Volkswirtschaft die heutigen Ausgaben die zukünftigen Einnahmen sind. Dies kann als ein volkswirtschaftliches Axiom bezeichnet werden und lautet: In einer Volkswirtschaft, die durch Geldwirtschaft gekennzeichnet ist, gilt, dass die volkswirtschaftlichen Ausgaben die zukünftigen Einnahmen sind oder anders betrachtet, bei einer stabilen (!) Volkswirtschaft ist die Summe aller Ausgaben gleich der Summe aller Einnahmen.

Dieser Aussage liegt das volkswirtschaftlich Kreislaufmodell zugrunde: Während das Geld in die eine Richtung fließt, strömen entgegengesetzt die Güter bzw. Leistungen. Die Neoklassiker konstruieren daraus aber eine Automatik: Die Ausgaben erzwingen die Einnahmen und die Einnahmen bewirken automatisch auch die Ausgaben.

Nur was passiert mit einer Volkswirtschaft, in der das eingenommene Geld nicht wieder ausgegeben wird ? Zum Beispiel wird das Geld auf Schweitzer Konten verschoben oder in internationalen Spekulationsblasen transferiert, weil dort höhere Rendite winken, anstatt die heimischen Wirtschaft anzukurbeln, deren Absatzmarkt bereits gesättigt ist? Oder die Fabrikbesitzer leben im Ausland und investieren den Gewinn lieber dort. Oder das Geld wird schlicht und einfach bar gehortet mit dem Ziel, es für ein günstiges Schnäppchen auszugeben.

Die angebotsorientierten Vorschläge der Neoliberalen blenden die eigenständige Wirkung unseres Geldsystems auf die Wirtschaftsprozesse völlig aus.

Vor allem blenden sie die Verteilungsfrage aus.

Die Probleme treten dann auf, wenn große Teile des eingenommene Geld sich auf wenige Personen verteilt. Bei diesem Personenkreis häuft sich ein Überschuss von Geldvermögen an. Wenn dieses Geld nicht wieder ausgegeben wird, sei es als Konsum oder Investition (eine besondere Konsumart), sondern in die Schweiz verschoben wird oder in Spekulationsblasen verschwindet, fehlt es der Volkswirtschaft. Diesem nicht ausgegebenen Überschuss stehen produzierte Güter, bzw. Leistungen gegenüber, die nicht vom Markt geräumt werden. Unternehmen gehen pleite, die Volkswirtschaft schrumpft.

Ein Rechenbeispiel möge das Problem verdeutlichen.

Hier wird die sog. reiche Gruppe, bei der die Einnahmen größer sind als die Ausgaben und die einen Bevölkerungsanteil von 25% umfassen soll, in ihren Einnahmen dem großen Rest der Bevölkerung gegenübergestellt. Die Annahme von 40% Einnahmeanteil dieser Bevölkerungsgruppe am BIP, hier mit 2000 Mrd. €./Jahr angegeben, kommt der bundesrepublikanischen Wirklichkeit recht nahe. Beim großen Teil der Bevölkerung sind im Wesentlichen die Ausgaben so groß wie die Einnahmen. Die Ausgaben des kleinen reichen Teils mögen bei konstant (!) z.B. 720 Mrd. Euro/Jahr liegen, das sind 36% des anfänglichen (!) BIP von 2000 Mrd. €. Der Gewinn würde dann anfänglich bei 4% BIP liegen oder 10% des anfänglichen Einkommens, der voraussetzungsgemäß angehäuft wird. Da die Ausgaben immer auch die zukünftigen Einnahmen sind, schrumpft das BIP im folgenden Jahr, in unserem Beispiel um 80 Mrd. € (4% von 2000). Das BIP schrumpft unter diesen Voraussetzungen solange , bis die Ausgaben der reichen Gruppe gleich deren Einnahmen sind, d.h. bis in unserem Beispiel 720 Mrd. € 40% des dann erreichten BIP ausmachen, also auf 1800 Mrd. €. Der Gewinn ist dann natürlich auf null geschrumpft (Marx: tendenzielle Fall der Profitrate = Keynes: Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals).

Das Entscheidende bei diesem Vorgang ist, dass der reiche Teil seine Einnahmen nicht konsumieren kann und dadurch Vermögen anhäuft. Diente diese Anhäufung nun auch dazu, die anfänglich ungleiche Einkommensverteilung zu Lasten des ärmeren Teils weiter zu verschieben, z.B. durch Rationalisierungs-Investitionen oder Kreditvergabe, würde sich letztlich die Krisendynamik verschärfen.

Unser Wirtschafts- und Geldsystem kann so nicht krisenfest funktionieren:

Eine extrem ungleichmäßige Einkommensverteilung führt zu wirtschaftlichen Störungen. Solche Einkommensverhältnisse entstehen vor allem dann, wenn es in der Gesellschaft Möglichkeiten gibt, durch den bloßen Besitz von knappen, aber für alle notwendigen Gütern leistungsloses Einkommen zu erzielen (gewinnbringendes Vermögen, s. www.dr-wo.de/schriften/feudalismus/) . In einer modernen arbeitsteiligen Industriegesellschaft sind:

  • Produktionsmittel knappe Güter. - Ihr Besitz führt zu Profiten.
  • Weiterhin ist der Boden ein knappes, nicht vermehrbares Gut. – Sein Besitz führt zur Bodenrente.
  • Aber besonders ist Geld ein solches Gut, denn das Geld ist nicht nur bloßes Tausch- , sondern auch Aufbewahrungsmittel, das durch Hortung (Verschiebung, Spekulation) dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden kann und dadurch knapp wird. Dies ist die Liquiditätspräferenz des Geldes, die dazu führt, dass der Zins nicht unter den Liquiditätswert (erfahrungsgemäß 2%) sinkt. - Der Besitz von Geld führt in unserem Geldsystem zum Zins als leistungsloses Einkommen.

Eine langfristig wirksame und nachhaltige Therapie kann nur in Maßnahmen liegen, die verhindern, dass durch den Besitz von knappen gesellschaftlich nötigen Gütern, im großen Stil leistungsloses Einkommen erzielt wird, z.B. durch den Besitz von Geld, Boden, Produktionsmitteln u.a..)

Das kann sein:

  • eine Besteuerung der Kapitalvermögen
  • eine Besteuerung von Kapitalerträgen
  • eine Besteuerung liquider Mittel, durch Einführung einer Rückhaltegebühr (s. H. Creutz: Das Geldsyndrom; u. www.INWO.de)

Steuern in der Art der Tobin‑Steuer, bzw. Besteuerung von Finanztransfer

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