Dienstag, 31. Juli 2007

Goetz Werner: Einkommen für alle?

Kritik an dem Modell von Götz Werner „Einkommen für alle“

(Bedingungsloses Grundeinkommen, BGE)

Das Besondere am Werner-Modell ist der Vorschlag, das Grundeinkommen aus der Konsumsteuer zu finanzieren, bei gleichzeitigem Wegfall aller auf Einkommen und Erträgen erhobenen Steuern.

Was passiert mit einer Volkswirtschaft, wenn das Einkommen bzw. die Erträge aus der Produktion

( dank der von Werner viel beschworenen durch Investition erzeugten Rationalisierung )

auf immer weniger Schultern verteilt wird?

Werner verkennt, wie unser Geldsystem funktioniert:

Geld wird im Prinzip über Schulden für Unternehmen und den Staat in das Wirtschaftssystem eingespeist. Letztlich bezahlen die Unternehmer damit Lohn- und Kapitalkosten an die in den Produktionsprozess eingebundenen. Über den Konsum (Abnahme von Waren = Entnahme von Leistungen) erreicht das Geld wieder die Unternehmen, die damit die Schulden und Schuldenkosten bedienen können. Die ist der Wirtschaftskreislauf: Geld fließt in die eine Richtung, Leistungen in die andere.

Wenn aber die Zahl der Abnehmer in diesem Kreisprozess schwindet, immer mehr aus dem Produktionsprozess herausfallen, wer nimmt dann die Waren ab, so dass der Unternehmer seine Kosten begleichen und seinen Profit in Geld realisieren kann?

Die Lösung von Werner besteht darin, dass alle ein Grundeinkommen erhalten, mit dem dieser Überhang an Leistungen vom Markt abgeräumt wird. Doch woher kommt das Geld für das Grundeinkommen derjenigen, die aus dem Produktionsprozess herausgefallen sind? Aus der Besteuerung ihres eigenen Konsums? Dies ist so, als wolle sich Münchhausen an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Es kann auch nicht aus der Konsumsteuer der im Produktionsprozess eingebundenen kommen, da diese dann weniger Waren abnehmen würden (s. Ergänzung, Berechnung)

  1. Realistischerweise muss jemand für dieses Grundeinkommen als Vorschuss Schulden aufnehmen, z.B. der Staat. Durch den Konsum werden dann zwar die ursprünglichen Schulden zurückgeführt, aber es bleibt ein Teil stehen, der durch die fälligen Zinsen erwachsen ist. Das Geldvermögen der Geldbesitzer steigt. Die Volkswirtschaft geht in die Schuldenfalle. (Schon jetzt existieren in Deutschland 6 Billionen € Schulden, denen die gleich große Summe von Geldvermögen gegenüber stehen. Etwa 70 % dieser Schulden fallen auf die Unternehmen und 25 % auf den Staat).
  2. Oder die Geldbesitzer werden zur Kasse gebeten, bzw. besteuert, auch alle jene, die aufgrund von Besitz leistungsloses Einkommen beziehen, sowie jene, deren Einkommensgröße jenseits einer angemessenen Leistungsrelation liegt (die Ackermanns).
  3. Oder die Waren bleiben liegen, die entsprechenden Firmen gehen Pleite, die Volkswirtschaft schrumpft. Es kommt zu den bekannten Konjunkturtälern bis hin zum Zusammenbruch des Wirtschaftssystems (Argentinien).

Letztlich wird man nicht vermeiden können, die Verteilungsfrage zu stellen, um das Grundeinkommen dazu zu benutzen, die Masse der Leistungsträger – die arbeitsfähige Bevölkerung – am Produktivitätsfortschritt der Volkswirtschaft zu beteiligen (Fall 2). Daran wird man die Modelle zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) messen müssen.


Ergänzungen

Argument für eine Konsumsteuer (Werner-Modell)

Das Hauptargument für eine Konsumsteuer hört sich im Buch von Götz Werner „Einkommen für alle“ wie folgt an (die Zahlen der zitierten Stellen beziehen sich auf Seiten dieses Buches):

Geld sei eine Art Depot für zukünftige Gegenleistungen. Es hat jemand etwas geleistet, ihm fehlt noch die Gegenleistung – dies wird durch den Erhalt von Geld, Einkommen/ Ertrag, vermerkt. Die gesellschaftliche Wertschöpfung von Leistung und Gegenleistung ist erst bei der Leistungsentnahme durch einen Kauf mit diesem Geld abgeschlossen. Wird nun das Einkommen, bzw. der Ertrag besteuert, belastet man also den Leistungsbeitrag, so lähmt das die Bereitwilligkeit für solche Leistungen. Eine Besteuerung der Leistungsentnahme – die Konsumsteuer - würde bereitwilliger hingenommen. Im Vergleich zur Einkommensteuer wäre sie unbürokratischer, umweltfreundlicher, leichter zu differenzieren und gerechter zu gestalten, wobei die Reichen bei Luxusgütern belastet und die Masse der Bevölkerung durch geringe Besteuerung des täglichen Bedarfes entlastet werden könnten.

Trotz richtiger Ansätze über den Charakter des Geldsystems, über die Notwendigkeit eines sozialen Ausgleiches („Die „starken Schultern<<>>oben<<>>unten<<>, 212)), verkennt er die Dynamik unseres Geld- und Kapitalsystems. Er hat als Unternehmer im wesentlichen eine betriebswirtschaftliche Sichtweise. Er sieht zwar, dass die wirtschaftlichen Werte letztlich aus menschlicher Leistung und Arbeit entspringen ( „Die wohl effektivste Form gebündelter, sozial organisierter menschlicher Leistung, ist das unternehmerische Kapital“ 178, oder „Reale Werte entstehen nur in der Produktion oder durch nützliche Dienstleistungen“, 156 oder „Versteht man Wirtschaft so als einen permanenten Prozess des Füreinanderleistens..“ . 177) dennoch behandelt er Kapitalertrag und Arbeitseinkommen gleichwertig ( „Mit dem Grundeinkommen lassen wir die Menschen arbeiten.... . Mit der Konsumbesteuerung lassen wir das Kapital in Ruhe arbeiten. 178). Als Unternehmer kann er sich hier von der betriebswirtschaftlichen Sichtweise nicht lösen. Im Betrieb sind Kapitalertrag, Kapitalbeschaffung und Arbeitseinkommen gleichwertige Kostenfaktoren, insofern Kosten der Produktion (wobei das Kapital etwas bevorzugt, da bei Konkurs bevorzugt zu bedienen ist). Deswegen die gängige Vorstellung, dass Kapital und Arbeit Produktionsfaktoren seien.

Das Werner-Modell - gesellschaftliche Hintergrund seine Analyse

In seinem Buch „Einkommen für alle“ liefert Werner sehr einsichtige Argumente für die Notwendigkeit eines Grundeinkommens. Zunächst räumt er mit dem Mythos auf, dass Wirtschaftwachstum notwendigerweise Arbeitsplätze schafft. Leider geht er nicht darauf ein, dass die gängige Definition von Wirtschaftswachstum als prozentuales Wachstum des bestehenden Volumens, so nicht funktionieren kann, da es zu einem exponentiellen Wachstum führt. Exponentielles Wachstum kann kein reales Wirtschaftssystem dieser Welt leisten. In der Natur kommt es als parasitäres Wachstum vor, das regelmäßig seine eigene Existenzgrundlage zerstört.

Dann bekennt er sich zur gesellschaftlichen Abhängigkeit aller individuellen Leistung (177). Er wendet sich deswegen gegen die einseitige Aneignung dieser gemeinschaftlich erzeugten Werte und stellt konsequenterweise die Verteilungsfrage. Ein extremes Ungleichgewicht in der Verteilung volkswirtschaftlicher Leistung führt zur Wirtschaftskrise. Dagegen setzt er die Vision der Partizipation aller am Produktivitätsfortschritt und die Befreiung von der Fessel der Fronarbeit.

Sehr gut beschreibt er auch die Funktion des Geldes <<als Schmiermittel für die Erzeugung und den Austausch von Produkten und Dienstleistungen>>(55), das sehr leicht zu lagern und zu transferieren, verleihen und verzinsen ist. Es sei ein <<Irrtum, dass Geld einen Wert an sich habe. Grundsätzlich wird im reinen Geldverkehr ja tatsächlich überhaupt nichts geschaffen. Reale Werte entstehen nur in der Produktion oder durch nützliche Dienstleistungen>> (156). Sehr richtig wird die Funktion von Unternehmen in einem Geld- und dazu gegenläufigen Güterkreislauf beschrieben: Unternehmen << versorgen die Menschen mit Geld....Verfolgt man die Wertschöpfung eines jeden Unternehmens.. rückwärts, dann löst sich ihr gesamtes eingesetztes Kapital ..in Einkommen auf. (176) <<die Aufgabe von Unternehmen ist es, die Menschen mit Gütern und Dienstleistungen und andererseits mit Einkommen zu versorgen>> Zentral ist seine Einteilung von realem Einkommen, << das, was man tatsächlich verbraucht>> (53) und dadurch von anderen als Verbrauchsgüter bezieht, sowie nominales Einkommen (Geld), das man erhält, indem man Leistungen für andere aufbringt. << Der Drang nach Realeinkommen hat Schranken, denn die natürlichen Bedürfnisse des Menschen sind begrenzt. Dagegen scheint der Drang nach Nominaleinkommen, die Geldgier, grenzenlos zu sein.>> (153) << Das Kapital scheint sich also nur für den eigenen Hunger zu interessieren. Nachhaltigkeit ist ihm fremd>> (159)Er sieht in unserem Wirtschaftssystem vier sog. Kardinalsünden: <<Die erste besteht darin, dass wir Geld wie eine Ware betrachten, die zweite ...Grund und Boden ....,die dritte.... Unternehmen..., und die vierte ...Arbeit>> (163). Die Verbindung von Geld – Kapital – und Produktion beschreibt er wie folgt:

<< Die Akkumulation von Geld, also die Kapitalbildung, erweitert die Möglichkeiten, etwas für andere zu produzieren beziehungsweise zu leisten. Und schon allein, weil der Unternehmer dabei sein eingesetztes Kapital – das ja meist mehr Fremd- als Eigenkapital ist – verzinsen muss, braucht er den „Profit“ >>.“ (154)


Berechnung des Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) nach Werner

Annahmen

  • Ich nehme einen volkswirtschaftlichen Warenaustausch (BIP) von 100 Wareneinheiten (WE) an.
  • Zur Produktion dieser WE sollen vorgeschossene Kosten von 2000 Geldeinheit (GE) entstehen, die von den im Produktionsprozess Eingebundenen (LE) als Einnahmen (Einkommen) verbucht werden.
  • Die 100 WE stehen bei ca. 29% Mehrwertsteuer (Konsumsteueranteil für BGE) zu 2817 GE zum Verkauf zur Verfügung. Das BIP beträgt dann 2817 GE.

Konsumsteuer-Modell

  • Die LE können mit ihren Einnahmen von 2000 GE einen Anteil von 71 WE abnehmen (100x2000/2817 ~ 71). 580 GE sind davon KONSUMSTEUER: Mit den restlichen 1420 GE kann der Unternehmer einen Teil der vorgeschossenen Kosten begleichen. Für den gesamten Vorschuss muss er Zinsen zahlen.
  • Die restlichen 29 WE werden nun wie folgt abgenommen:
  • Zum Erwerb dieser 29 WE müssen ca. 817 GE durch das BGE abgenommen werden, das ist der Gesamtbetrag der Mehrwertsteuer, 29 % von 2812. Für dieses BGE hat der Staat schon 580 GE durch den LE-Konsum eingenommen.
  • Er muss noch 237 GE vorschießen, für die der Staat bei einem Zinssatz von 5% p.a. ein Summe von ca. 12 GE im Jahr zahlen muss.
  • 817 GE (580 + 237) werden nun auf die gesamte Bevölkerung als BGE verteilt, die damit die restlichen 29 WE abnehmen. 237 GE sind davon Konsumsteuern, mit denen der Staat seinen Vorschuss tilgen kann. Mit den restlichen 580 GE kann der Unternehmer den letzten Anteil seiner vorgeschossenen Kosten begleichen.

Beispiel 2004:

  • Das BIP beträgt 2200 Mrd. €. Das zu verteilende BGE beträgt 638 Mrd. € (2200 x 0,29). Das vom Staat vorzuschießende BGE beträgt 185 Mrd. € ( 638 x 0,29 ). Der Staat muss dafür 9 Mrd. € an Zinsen tragen (5% Zinssatz). Bei 80 Mill. Einwohnern erhält jeder 7975 € im Jahr, das sind 665 € im Monat. Eine 4-köpfige Familie erhält dann 2658 € im Monat.

Einkommensteuer-Modell

  • Die zur Produktion von Waren vorgeschossenen Kosten über 2000 GE stehen den LE als Einkommen bzw. Ertrag zur Verfügung.
  • Die Mehrwertsteuer wird nicht erhoben , sondern eine Einkommen - bzw. Ertragssteuer von 29%.
  • Die LE haben bei einer Einkommensteuer von 29% nur 1420 GE übrig, die sie zum Kauf ihres Warenanteils (71 WE) verwenden.
  • Die vom Staat eingenommenen 580 € Einkommensteuer werden als BGE an alle verteilt und damit die restlichen Waren (29 WE) vom Markt geräumt.
  • Der Unternehmer kann seine vorgeschossenen Kosten begleichen. Für den Vorschuss musste er Zinsen zahlen.

Einkommensteuer contra Konsumsteuer

· Der Staat zahlt keine Zinsen.

· Die Kaufkraft bei dem einkommensteuerfinanzierten ist stärker als bei dem konsumsteuerfinanzierten BGE, denn die LE erhalten für 1420 GE bei dem einkommensteuerfinanzierten Modell dieselben Leistungen wie mit 2000 GE bei dem Konsumsteuermodell. Dieselben Überlegungen gelten für die BGE-Ausgaben.

· Letztlich profitieren nur die Geldbesitzer bei dem Konsumsteuermodell à la Werner, weil sie Zinsen erhalten.

1 Kommentar:

sozial hat gesagt…

Volkswirtschaftlich ist es sehr wohl möglich, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf herauszuziehen, da Lohn- und mit einem solchen Modell natürlich auch Grundeinkommenskosten auf der Ausgabenseite gleich hohe Kaufkraftgewinne auf der Einnahmeseite gegenüberstehen. Die Bilanz bleibt immer gleich! Das ist eben die Tragik unseres Landes bzw. des neoliberalistischen Dogmas in der ganzen westlichen Welt: Die Gesellschaftskrise ist durchweg hausgemacht. Den Milliarden Verlierern stehen einige Tausend absolut dreist abkassierende Gewinner gegenüber, die mit ihrem Reichtum nichts mehr anzufangen wissen.